BERLIN (dpa-AFX) - Die von der EU-Kommission kritisierten
Ökostrom-Rabatte für die deutsche Industrie erreichen im laufenden
Jahr die Rekordmarke von fünf Milliarden Euro. Bekamen 2013 noch 1720
Firmen rund vier Milliarden an Vergünstigungen bei der Umlage zur
Förderung des Ökostromausbaus, sind es 2014 nun 2098 Unternehmen und
5,1 Milliarden Euro, wie das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (Bafa) mitteilte.

    Auf Druck der EU-Kommission dürfte Energieminister Sigmar Gabriel
(SPD), der am Montag den zuständigen EU-Kommissar Joaquín Almunia in
Berlin trifft, absehbar die Ausnahmen reduzieren müssen. Zugleich will
er Zehntausende Firmen, die günstig selbst Strom für ihre eigenen
Fabriken erzeugen, mit einem "Energie-Soli" stärker an den Kosten des
Grünstrom-Ausbaus beteiligen. Die Industrie stemmt sich gegen diesen
Plan.

    Vor einem Spitzentreffen von Unternehmen, Verbänden und
Gewerkschaften mit Gabriel am Dienstag in Berlin drohte etwa der
Chemiekonzern BASF , weniger in Deutschland zu investieren.
"Die Erneuerbaren müssen endlich aus dem Streichelzoo der risikolosen
Profite in den Markt entlassen werden, damit die Kostensteigerungen
reduziert werden können", schrieb BASF-Chef Kurt Bock in einem Beitrag
für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

    Gabriel will verhindern, dass immer mehr Firmen in eigenen
Kraftwerken selbst Strom erzeugen, um sich die Kosten aus der
Ökostromumlage zu sparen. Dieses Verhalten sei unsolidarisch, weil die
Ausfälle die übrigen Verbraucher schultern müssen. Nach Gabriels
Plänen sollen Unternehmen für Stromproduktionsanlagen, die bis 2013
ans Netz gegangen sind, einen "Energie-Soli" von knapp 1 Cent je
Kilowattstunde zahlen. Bei künftigen Anlagen sollen über 5 Cent
fällig werden.

    Die Wirtschaft warnt vor Extra-Belastungen von mehreren hundert
Millionen Euro pro Jahr. Auch Politiker aus der Koalition warnen
Gabriel, den Vertrauensschutz für Firmen aufzukündigen, die bereits
Kraftwerke betreiben und den Strom in ihren Fabriken selbst verbrauchen.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte der "FAZ": "Die Hälfte davon hat
bereits in Anlagen investiert. Auf sie kommen deutlich höhere Kosten
zu."

    Die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner schrieb an Gabriel:
"Ich halte es für zwingend notwendig, die Eigenstromproduktion bei der
EEG-Umlage wie bisher außen vor zu lassen." Die auch von Brüssel
gewollte Förderung der Technik zur Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) würde
so konterkariert.

    Die Förderkosten für den Ausbau der Stromerzeugung aus Wind,
Sonne, Wasser und Biogas zahlen Bürger und Wirtschaft per Umlage über
den Strompreis. Im laufenden Jahr sind es etwa 23,5 Milliarden Euro. Ein
vierköpfiger Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3500
Kilowattstunden Strom zahlt rund 220 Euro Umlage. Gabriels EEG-Reform
soll Anfang April vom Kabinett beschlossen und zum 1. August in Kraft
treten./tb/ir/DP/stb